igranidamil

Einst lebte ein Igranidamil in einem Garten. Es war kein verwunschener Garten, aber in dem Garten gab es einen Wunschbrunnen. Dort hatte sich der Igranidamil breit gemacht. Das war ein schöner Brunnen. Er war mit einem herrlichen Mosaik ausgelegt. Alle Farben des Wassers und des Himmels waren in diesem Mosaik eingefangen und dazwischen kringelte sich eine Schlange aus vielerlei rosa Mosaiksteinchen und Spiegelstückchen. Dem Igranidamil gefiel es sehr gut in seinem schönen verwunschenen Brunnen in dem schönen Garten. Und wenn sich die rosa Pflaumenblüten vom zarten Frühlingswind bewegt im Spiegel des Wassers wiegten, dann fühlte sich der Igranidamil glücklich und zufrieden. Das goldschimmernde Sonnenlicht liess das Blau des Wassers nur noch herrlicher scheinen.

Endlich war die harte Zeit des Winters vorbei. Die Schneeglöckchen hatten sich ihren Weg durch die Schneedecke erkämpft und fingen schon wieder an zu welken. Die Krokusse waren gefolgt und hatten dem gefrorenen Boden und den immer noch teils bissigen Winden getrotzt. Jetzt konnte auch der Igranidamil wieder aus seiner Nische am Brunnenrand herauslugen. Dort versteckte er sich jeden Winter, wenn der eisige Nordwind den Brunnen mit einer weissen Decke aus Schnee und Eis überzog. Doch jetzt wärmten die Sonnenstrahlen seinen kleinen Pelz wieder. Alles fühlte sich warm an und durch die Luft surrte allerhand kleines Getier von denen er ab und zu eines erwischte. Eine willkommene Abwechslung zu den Wurzeln an denen er sonst nagte.

Heute fühlte sich der Igranidamil besonders wohl. Er hatte gerade sich aus seinem Versteck heraus gekrümelte und lehnte sein weiches, weisses und flauschiges Pelzchen an den grünen Tonfrosch auf dem Brunnenrand. Da sah er sie. Sie trat aus dem Haus und ihre Schritte führten sie in den Garten. Die Erde erzitterte leicht als sie sich dem Brunnen näherte. Und da hatte sie auch schon den Igranidamil gesehen. Vor lauter Wohligkeit durch die wärmende Sonne war er nicht schnell genug gewesen. Und nun hatte sie ihn gesehen.

„Mami, Mami!“ rief das Kind „schau was für eine süsse kleine weisse Maus auf dem Brunnenrand sitzt!“ Der Igranidamil floh erschreckt in seine kleine Höhle und hatte sich versteckt, noch ehe die Kleine sich wieder umgedreht hatte. Da sass er nun, zitternd am ganzen weissen, weichen, flaumigen Leib. „Maus!“ entrüstete er sich.

Von da an, wurde es schwierig für den Igranidamil. Das kleine Mädchen kam täglich mehrmals und guckte in und um den Brunnen herum ob sie den Igranidamil wieder sähe. Sie stocherte mit kleinen Stöckchen in seine Höhle hinein und der Igranidamil musste sich ziemlich dünn machen um dem Gestochere zu entgehen.

So wagte er sich meistens nur noch nachts aus seinem Versteck heraus. Und das bedrückte ihn sehr. Denn so sehr er den Mond auch liebte, wenn er ihn denn sah, so vermisste er doch das Gesurre der Mücken und Käfer, die wärmende Sonne auf seinem Pelz. Und weil er nun nur noch nachts aus dem Brunnen kam, so wurde sein Pelz langsam dunkler und dunkler und bald war der Igranidamil nicht mehr weiss sondern ganz schwarz. Und er grämte sich immer mehr und doch konnte er den Garten nicht verlassen. Wo sollte er denn auch hin?

Doch dann kam ein Tag voller Regen und das kleine Mädchen blieb aus. Da freute sich der Igranidamil und kam aus seinem Versteck heraus. Doch die Freude war kurz, denn bald war er am ganzen Körper nass und er fühlte sich alt und leer. Der Tonfrosch schaute ihn mit seinen grünen, glänzend nassen Augen hohl und leer an. Traurig lugte der Igranidamil über den Brunnenrand. Da waren nicht mal mehr Blüten die sich im Wasser spiegelten. Er sah nur eine nasse, schwarze Maus die ihm mit leerem Blick entgegensah. Darüber erschrak er so, dass er vor lauter Schreck in den Brunnen fiel. Das war nun ein wirklich grosses Problem für den Igranidamil, denn er konnte nicht sehr gut schwimmen und der Brunnen war tief. Traurig und erschrocken über sein Aussehen, beschloss er zu sterben. Er faltete seine Ärmchen und schaute zum grauen, trüben Himmel empor. Dann liess er sich einfach sinken. Das Wasser umschlang ihn und zog ihn in seine schwarze Tiefe.

Doch wie er nun als kleiner, schwarzer Igranidamil so den Brunnen hinabsank, da löste sich mit jedem Atemzug den er verlor ein Teil seiner Seele aus ihm. All die kleinen Seelenteile fügten sich zusammen und wurden zu einer weissen, weichen, flaumigen Feder die sich aus dem Wasserspiegel erhob. Da hörte der Regen auf, die Sonne strömte durch die Wolken hinab zum Brunnen. Liebkosend umfasste sie mit ihren warmen Strahlen die kleine, weisse, zarte Feder und trug sie mit Hilfe des Windes himmelwärts.

Und als nun die Sonne wieder schien hüpfte das kleine Mädchen in den Garten. Sie schaute in den Brunnen und rief „„Mami, Mami! Schau da liegt eine kleine, schwarze, hässliche Maus tot im Brunnen!“

© Carolyn Pini, Januar 2005