Die mütterliche Linie

Arvi’s Mutter ist Sigrun (die vom Sieg Kündende).

Sie ist die Tochter des Baders Demian (der Bezwinger) und der kräuterkundigen Hebamme Geloyra (die Lebhafte oder auch die Wahre) aus Basel. Sigrun ist das jüngste von drei Kindern und wurde 1098 in Basel nahe beim Kloster St. Alban geboren. Ihr ältester Bruder Eberhard (der Willensstarke) kam 1091 und Wigbrecht (der strahlende Kämpfer) 1094 zur Welt.

Das Benediktinerkloster St. Alban, 1083 gegründet, erhielt 1093 einen Prior als Vorsteher, welcher vom Abt in Cluny bestimmt wurde. Das Kloster war vor allem in der Krankenpflege tätig, deshalb liessen sich Demian der Bader, der zuvor in der unteren Talstadt von Basel in einer Badstube gearbeitet hatte, mit seiner Frau hier nieder. Demian und Geloyra hatten eine modernere Vorstellung von Heilkunst als es die Bader üblicherweise betrieben. Geloyra wurde für den Heilkräutergarten zuständig und Demian arbeitete mit den Leutpriestern und ab und zu mit den Klostergelehrten und kümmerte sich um die Kranken. So erhielten die beiden und damit auch ihre Kinder Zugang zu mehr Bildung als es sonst üblich war, denn nur wenige wussten, dass die Klosterschulen auch Laien ausbildeten.

Nachdem Geloyra das dritte Kind, ihre Tochter Sigrun, empfangen hatte,  befand sie es für gut und als Hebamme und Kräuterkundige wusste sie auch wie sie es verhindern konnte ein weiteres Kind zu empfangen. Ihr Wissen war über viele Generationen weitergegeben worden. Es war das wichtigste Familiengut, welches ihre Vorfahren die ins Westfrankenreich eingewandert waren, aus ihrer alten östlichen Heimat mitgebracht hatten. Dieses Wissen gab Geloyra an Sigrun weiter in der Hoffnung, dass diese sich der Familiengeschäfte annehmen würde, da die beiden Brüder anderen Interessen nachgingen.

Wigbrecht suchte sein Glück in den Diensten der adligen Ritter, die sich auch am Spalenberg niedergelassen hatten. Eberhard frönte seiner Leidenschaft als Sänger an eben diesen Höfen. Als er 22 war, also 1113 (als Sigrun gerade mal 15 Jahre alt war) hörte er das Rätsellied von Wilhelm IX dem Herzog von Aquitanien, der gerade Toulouse eingenommen hatte, weshalb seine Lieder gerade sehr populär waren. Dies inspirierte ihn so sehr, dass er beschloss als Minnesänger seine eigenen Lieder zu dichten und durch die Lande den Höfen nachzureisen und so sein Glück zu versuchen.

So kam es, dass Sigrun die grosse Hoffnung der Eltern wurde. Sie lehrten sie alles was sie wussten und gaben alle ihre Erfahrungen an das junge Mädchen weiter, so dass Sigrun mit 22 eine für die damalige Zeit wahrhaft gebildete Frau war. Sie verstand die Heilkunst sowie die Kräuterkunst und vor allem aber interessierte sie sich für das Kochen. Ihr dämmerte, nach alledem was sie gelernt hatte, dass die Ernährung der Menschen nicht unbedingt förderlich für ihre Gesundheit war. Doch hier stiess sie auf viele taube Ohren, auch die der Eltern waren in diesem Zusammenhang nicht wirklich offen für Neues. Sie wollten Sigrun mit dem Bader Johannes verheiraten, der vor zwei Jahren zu ihnen gekommen war, um die gut laufenden Geschäfte zu unterstützten.

1120 kehrte ihr Bruder Wigbrecht, der mit 19 Jahren mit einem der adligen Ritter nach Jerusalem aufgebrochen war, nun mit 26 aus dem Heiligen Land zurück. Die Eltern überglücklich, dass er genug vom Kriegsgeschäft hatte, banden ihn in die Geschäftsführung ein und freuten sich, sich auf ihr Altenteil zurückziehen zu können und die Geschäfte Wigbrecht und Sigrun und Johannes zu übergeben.

Doch Sigrun wollte Johannes nicht heiraten und auch nicht die alten Traditionen weiterführen. Ihrem Kopf stand der Sinn nach Neuerungen. Als Wigbrecht auch noch von den orientalischen Badstuben die es von Konstantinopel über Damaskus bis Jerusalem gab und von den arabischen Heilkünsten berichtete, beschloss sie Basel zu verlassen.

Die Eltern waren nicht begeistert, aber sie respektierten und liebten Sigrun und liessen sie ziehen. Wenn auch mit mulmigem Gefühl. So zog Sigrun mit 22 Jahren, 1120 nach Norden nach Friburg. In dieser aufstrebenden Marktstadt wollte sie ihre modernen Ideen zu verwirklichen versuchen.

Sie erwarb sich das Recht Kräuter, die sie selbst sammelte, auf dem Markt zu vertreiben. Dabei träumte sie von einer anderen Art von Badstube in dem auch die Küche eine Rolle spielen sollte.  Doch wie das Leben so spielt, kommen die Dinge oft anders als geplant. Eines schönen Tages, sie ist gerade mal knapp einen Monat in der Stadt, kommt Halvor an ihren Stand um ihre Kräuter in Augenschein zu nehmen…

Sigrun wird unter anderem auch durch ihre vorteilhafte Lebensführung belohnt und überlebt ihren Mann um gute 20 Jahre. Sie ist 61 Jahre alt, als sie 1159 stirbt.

Von ihr lernt Arvi alles über Kräuter- und Heilkunst sowie moderne Ideen über Gesundheit und Lebensführung. Sigrun erzieht Arvi nicht im Geiste der alten Tradition, sondern sieht ihre Tochter mit Stolz zu einem eigenständigen Menschen heranwachsen, wie sie es selber ja auch war und ist.