05_Autoritaet

Ihr Telefon auf dem kleinen Tisch neben dem grossen Hotelbett klingelt. Mehrfach. Eindringlich.

Harriet eilt vom Balkon herbei. Gerade erst angekommen hat sie sich ein Glas Sekt aus der Minibar genehmigt, um die untergehende Sonne vom Balkon aus zu geniessen.

»Hallo?«, fragt Harriet in ihr Telefon, den überschäumenden Sekt noch in der anderen Hand.

»Frau Halengill«, hört sie die Stimme des Assistenten des CEO’s.

»Oh, Herr Dreyfuss«, begrüsst Harriet den Anrufer.

»Es gibt Ungereimtheiten im Abschluss.«

»Okay?«, fragt Harriet gedehnt in den Hörer hinein.

»Mr. Blender ist etwas ungehalten.«

»Ja?«

Was hat das mit mir zu tun, fragt sich Harriet, schliesslich ist sie ja nicht Buchhalterin.

»Er wünscht, dass morgen alle im Büro sind.«

Überrumpelt stellt Harriet ihr Sektglas auf den Beistelltisch und setzt sich.

»Was heisst alle?«, fragt sie leicht verunsichert.

»Eben alle. Das soll ich Ihnen ausrichten.«

»Aber das macht doch gar keinen Sinn«, so Harriets schwacher Versuch das Ungemach abzuwenden.

»Das müssen Sie nicht mir erklären«, erwidert Dreyfuss lakonisch.

»Aber ich bin jetzt in meinem freien Wochenende und gleich kommt mein Mann und wir feiern unser siebenjähriges Jubiläum.«

»Das müssen Sie selber entscheiden was Ihnen wichtiger ist«, sagt Dreyfuss lax.

»Wie jetzt?«, fragt Harriet leicht düpiert. Diese Diskussion läuft in eine komplett falsche Richtung, wie ihr scheint.

»Ich denke Mr. Blender wird das nicht schätzen, aber das müssen Sie selber wissen.«

Droht der mir jetzt? fragt sich Harriet verunsichert. Das soll der Blender mir lieber selber ins Gesicht sagen.

»Also jetzt hören Sie mal, Dreyfuss«, beginnt Harriet, wird aber von Dreyfuss unterbrochen.

»Mit mir müssen Sie nicht diskutieren. Ich bin nur der Bote.«

»Jetzt soll ich also wirklich von Salzburg nach Zug fahren um morgen im Büro zu sein, weil der Abschluss nicht stimmt? Ich bin vom Einkauf!« Harriet fühlt sich überrollt von der Situation.

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

»Aber was soll ich denn tun im Büro? Soll ich etwa auf allen Vieren herumkriechen und die fehlenden Fünfer suchen?« Harriets Stimme überschlägt sich leicht.

»Wie gesagt, ich bin nur der Bote.«

Harriet wird wütend. Dreyfuss` Weigerung mit ihr zu reden und die Vernunft walten zu lassen macht sie nur noch furioser.

»Dann ruf ich den Alten eben selber an«, faucht Harriet ins Telefon.

»Wie Sie wollen. Ich wünsch Ihnen einen guten Abend.«

Jetzt hat der einfach aufgehängt und lässt mich kalt im Regen stehen! Harriet ist sauer. Wie ungerecht ist das denn?

Wütend beginnt sie zu packen, wirft ihre Sachen in ihren Koffer.

Irgendwann kündige ich bestimmt!

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Rewind.

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Ihr Telefon auf dem kleinen Tisch neben dem grossen Hotelbett klingelt. Mehrfach. Eindringlich.

Harriet eilt vom Balkon herbei. Gerade erst angekommen hat sie sich ein Glas Sekt aus der Minibar genehmigt, um die untergehende Sonne vom Balkon aus zu geniessen.

»Hallo?«, fragt Harriet in ihr Telefon, den überschäumenden Sekt noch in der anderen Hand.

»Frau Halengill«, hört sie die Stimme des Assistenten des CEO’s.

»Oh, Herr Dreyfuss«, begrüsst Harriet den Anrufer.

»Es gibt Ungereimtheiten im Abschluss.«

»Das ist bedauerlich«, entgegnet ihm Harriet.

»Mr. Blender ist etwas ungehalten.«

»Das kann ich verstehen. Aber die Buchhaltung wird das schon finden.«

»Er wünscht, dass morgen alle im Büro sind«, hört Harriet Dreyfuss sagen.

»Wünscht er das?«, stellt Harriet trocken fest.

»Ja.«

»Dann hoffe ich, dass die Buchhaltung morgen dort ist und das regelt.«

Sie hört Dreyfuss nach Luft schnappen.

»Herr Dreyfuss?«, fragt Harriet vorsichtig.

»Alle sagte er.«

»Alle die nicht in den Ferien sind, meinte er.«, entgegnet Harriet.

Wieder eine ungemütliche Ruhe am anderen Ende.

»Auch Sie«, sagt Dreyfuss mutig.

»Denken Sie? Ich glaube nicht, schliesslich arbeite ich nicht einmal in der Buchhaltung.«

»Ich weiss nicht.« Dreyfuss ist definitiv irritiert.

»Sonst soll Mr. Blender mich in den Urlaub anrufen. Hotel Drachenwand, Mondsee. Wir feiern unser Jubiläum, mein Mann und ich.«

»Also das müssen Sie selber entscheiden was Ihnen wichtiger ist«, sagt Dreyfuss lasch.

»Durchaus. Danke für den Anruf Dreyfuss«, verabschiedet Harriet ihn.

Sie schüttelt den Kopf und nimmt einen grossen Schluck Sekt während sie beherzt wieder auf den Balkon tritt.

Wollen wir doch mal sehen ob Blender den Nerv hat selber anzurufen, denkt Harriet und hört erfreut das Klopfen an der Zimmertür.