11_Durchsetzung

Es ist Freitag. Wie jeden Freitag heisst es auf zum Rapport der laufenden Projekte.

Sonja schaut auf das eingereichte Konzept der Gruppe „Gemüsegurkenanbau“.

Sie ist nicht sehr begeistert. Drei Monate Arbeit, endlose Sitzungen und Absprachen, ein ewiges Hin und Her wie ihr schien und jetzt dieses magere Ergebnis.

»Sag mal Ernst«, fragt Sonja ihren Kollegen der Geschäftsleitung »was hältst du von diesem Gemüsegurkenanbau-Konzept?«

»Nicht wirklich brauchbar«, erwidert der Kollege nach dem kurzen Studium der Unterlagen.

»Was meinst du, wie heftig kann ich denen mal auf den Zahn fühlen?«

»Also ich würde sagen, eine Wurzelbehandlung dürfte das schon werden«, grinst Ernst.

Sonja grinst kopfschüttelnd. Also der Ernst wieder. Aber sie würde dem Team jetzt schon mal die Leviten lesen müssen.

»Mit dem Konzept gewinnen wir keinen Blumentopf beim Bewilligungsgremium«, doppelt Ernst nach, während Sonja die dürftigen Papiere zusammenpackt.

»Wünsch mir Glück.«

Sonja sitzt im Konferenzraum und wartet bis die Projektleiterin endlich kommt.

Als Magda endlich hereinkommt schaut Sonja demonstrativ auf ihre Uhr, während Magda sich ihr gegenüber an den Tisch setzt.

Magda entschuldigt sich umständlich: »Tut mir leid, ein wichtiges Telefonat.«

Sonja schüttelt den Kopf und seufzt.

Sie legt das Konzept auf den Tisch und sieht Magda an.

»Wie erklären sie mir das?«

»Bitte?«, Magda schaut sie erstaunt an.

»Das kann doch nicht ihr Ernst sein, oder?«

»Was meinen sie?«, fragt Magda etwas verdattert, aber auf der Hut.

»Nach drei Monaten liefern sie mir nach unzähligen Ausflüchten, warum sie mir vorher das Konzept nicht schriftlich liefern konnten, sowas ab?« Magda ist sehr ungehalten.

»Aber wieso, da steht doch alles drin gemäss den Vorgaben.«

»Magda, sie wollen mir doch nicht weismachen, dass das dürftige Geschreibsel alles ist, was sie nach all den Recherchen und Diskussionen mit ihrem Team fertiggebracht haben?«

»Also, … «, beginnt Magda und sie weiss nicht so recht ob sie heulen oder kämpfen soll.

»Und voller Schreibfehler ist das Papier auch noch!« Sonja kann nicht mehr so recht an sich halten, auch wenn sie merkt, dass jetzt gerade die Pferde mit ihr durchgehen.

»Wir stehen zwei Wochen vor Abgabetermin und sie glauben das Konzept reicht so?«, faucht Sonja hilflos weiter.

»Ich denke wir haben gemacht was wir können«, wehrt Magda ab.

»Dann können sie aber nicht wirklich viel. Nicht mal für die monatlichen Absatzzahlen hat es im Finanzplan gereicht!«, schimpft Sonja und wirft enttäuscht das magere Papier wieder auf den Tisch.

»Wenn das so ist, müssen wir das Projekt stoppen. Wir können nicht mit so dürftigem Material vor den Ausschuss gelangen.«

Magda schluckt. Sie findet Sonja ungerecht und hart. Dabei haben sie doch gemacht was sie konnten.

»Ich wollte ja nie das Gurkenprojekt machen«, erwidert Magda etwas weinerlich und tatsächlich Sonja sieht Tränen in Magdas Augen.

»Sie haben sich selbst in das Projekt gewählt«, erinnert Sonja.

Magda steht auf, wischt sich die glasigen Augen, nimmt ihre Unterlagen und stürzt aus dem Zimmer.

Verdattert sitzt Sonja verlassen im Konferenzzimmer.

»Na die kann was erleben«, faucht Sonja später im Büro bei Ernst.

Doch irgendwie stimmt sie die ganze Situation nachdenklich.

.

Rewind.

.

Sonja sitzt im Konferenzraum und wartet bis die Projektleiterin endlich kommt.

Als Magda endlich hereinkommt deutet Sonja freundlich auf den Stuhl schräg gegenüber. Magda lehnt dankend ab und setzt sich ihr gegenüber.

Magda entschuldigt sich umständlich: »Tut mir leid, ein wichtiges Telefonat.«

Sonja lehnt sich zurück, sie legt das Konzept auf den Tisch und sieht Magda an.

»Wie zufrieden sind sie mit dem Fortschritt ihres Projekts?«

»Sehr«, strahlt Magda.

Sonja zieht zweifelnd ihre Augenbrauen hoch: »Und mit den Inhalten die sie erarbeitet haben?«

»Ich denke wir haben gut gearbeitet«, sagt Magda.

»Wie zufrieden sind sie mit dem Konzeptpapier das sie mir gestern gemailt haben?«, doppelt Sonja nochmal nach.

»Ich denke das ist okay.«

Sonja lehnt sich nach vorne: »Ich finde es nicht okay.« Dann lässt sie ihr Statement erst mal sacken.

Magda schaut sie etwas unsicher an: »Was ist denn nicht in Ordnung mit dem Konzept?«

»Mal abgesehen von den Schreibfehlern? Ich hätte erwartet, dass sie das korrigieren bevor sie mir das mailen, auch wenn ich Verständnis habe für die Schreibschwäche ihrer ausländischen Teamkollegen.«

Magda schaut zerknirscht.

»Woran liegt es, dass so wenig von der Recherche und all den Diskussionen die wir geführt haben in diesem Papier Einzug gehalten hat?«, forscht Sonja weiter.

»Ich war drei Tage weg«, stammelt Magda.

»Dann hätten sie sich zwei Tage mehr Zeit nehmen können und mir ein besser ausgearbeitetes Konzept vorlegen können. Dass sie das können weiss ich«, sagt Sonja und sieht Magda fragend an.

»Also, … «, beginnt Magda und sie weiss nicht so recht ob sie heulen oder kämpfen soll.

»Ja?« Sonja sieht sie erwartungsvoll an.

»Ich wollte ja nie das Gurkenprojekt machen«, erwidert Magda etwas weinerlich und tatsächlich Sonja sieht Tränen in Magdas Augen. »Das macht für mich überhaupt keinen Sinn.«

Magda steht auf, wischt sich die glasigen Augen, nimmt ihre Unterlagen und will aus dem Zimmer stürzen.

Sonja steht auf, nimmt Magda am Arm und bittet sie sich wieder hinzusetzen. Dabei schiebt sie ihr den Stuhl schräg neben ihr hin. Es dauert eine Weile. Ein stummer friedlicher Kampf, den Sonja mit einem klaren Blick und einem freundlichen Lächeln gewinnt.

Als Magda sich setzt fragt Sonja nach: »Jetzt erzählen sie mal was genau los ist.«

Da beginnt Magda von ihren privaten Problemen zu berichten und einigen Unstimmigkeiten im Team. Langsam klärt sich die Sachlage und Sonja bietet ihr mögliche Lösungen und Unterstützung an.

»Nun aber nochmal zum Gurkenprojekt«, sagt Sonja und grinst Magda an.

»Wenn sie sich jetzt die nächsten drei Tage hinsetzen und konsequent alles niederschreiben was sie recherchiert und analysiert haben bezüglich der ollen Gurken, dann haben wir das Konzept in einer brauchbaren Fassung, so dass wir in Vorbereitung auf den Ausschuss das Finalisieren können, oder?«

Magda schnieft nochmal in ihr Taschentuch und nickt.

»Und das nächste Mal kommen sie vorher zu mir mit ihren Bedenken, nicht so kurz vor dem Abgabetermin. Alles klar?«

Magda nickt und bedankt sich in der Türe nochmal bei Sonja für ihr Verständnis.

»Immer wieder ein Erlebnis«, sagt Sonja später im Büro zu Ernst.

Der grinst. Einmal mehr.